Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


 

Gerade noch rechtzeitig: ein Buch über den Vierkanter

Burgen des Mostadels und der Vierkanter Gottes

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Sie gehören zusammen, die Reihen von Obstbäumen in der sanften Landschaft des Mostviertels und mitten drin die behäbigen, würdevollen Bauernhäuser, eben die Vierkanter. Sie scheinen schon ewig dort zu sein, eins mit dem Boden und sind auch in gewissem Sinne aus diesem Boden gewachsen. Die Ziegel, mit denen sie gebaut wurden, sind aus genau der Lehmerde gebrannt, auf der sie stehen. Sie erinnern an eine Festung, manche in ihrer Pracht an ein Schloss, und sie sind dennoch nichts anderes als Bauernhäuser, als Lebensraum für Mensch und Vieh.

Der Most erlebt im Augenblick zwar eine kulinarische Renaissance, an seine ehemalige Bedeutung kann er aber nicht mehr anschließen. Nicht anders ergeht es dem Vierkanter. Seine Funktion für eine umfangreiche Familie und großes Gesinde, die nur zusammen die gemischte Landwirtschaft aus Feldbau und Viehhaltung bewältigt haben, ist in Zeiten von spezialisierten, hochtechnisierten Betrieben obsolet geworden. Es gibt sie noch, weil man sich an sie gewöhnt hat, weil sie einfach zum Leben eines Mostviertler Bauern dazugehören. Irgendwann wird diese Liebe aber erlöschen, und was dann? Werden sie langsam verschwinden, verfallen? Eine unangenehme, aber keineswegs unwahrscheinliche Vorstellung.

 

Ein Buch wie das vorliegende kann diesbezüglich allein durch sein Erscheinen zum Denken anregen, zumal es großartig und gründlich geschrieben und mehr als reichlich bebildert ist. Schützenhilfe gibt es dabei seitens des Stiftes Seitenstetten, genannt der Vierkanter Gottes. An sich ist der Meierhof der Benediktinerabtei das bäuerliche Gebäude, die Bezeichnung hat sich aber auch auf das Klostergebäude übertragen, wo heuer anlässlich 900 Jahre Seitenstetten ein Teil der länderübergreifenden Ausstellung „Leben im Vierkanthof – Wo Bauern und Mönche beten und arbeiten“ bis Oktober 2012 zu sehen sein wird.

OStR Mag. Dr. Heimo Cerny, bekannt durch zahlreiche Publikationen zur Kulturgeschichte des Mostviertels, hat dem Vierkanter nun ein Denkmal gesetzt, in Form eines stattlichen Buches, herausgegeben von der Volkskultur Niederösterreich. Er geht darin dieser archaisch wirkenden Gehöftform auf den Grund und fördert dabei eine Reihe von Überraschungen zutage, zum Beispiel das Alter dieser Bauwerke, das gerne überschätzt wird, oder architektonische Anklänge an Industriebauten und Bahnhofgebäude.

 

Die Vierkanter werden als die Burgen des Mostadels bezeichnet. Sie waren und sind ebenso wenig Burgen wie ihre Bewohner Barone. Der Most, der vergorene Saft der Birne, verleiht ihnen jedoch den hohen Stand. Er war über lange Zeit eine sichere Quelle des Einkommens und trug seinen Teil zum gediegenen Wohlstand des Bauernstandes in diesem Landstrich bei. Vieles hat sich inzwischen verändert.

Heimo Cerny: VIERKANTER, Wahrzeichen des Mostviertels. Volkskultur Niederösterreich (Hg.) 2012, ISBN 978-3-901820-76-2, Preis € 29,70.

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